Vera – Vergleichsarbeiten

Der Tag fing so nett an, bis dann Vera kam. Nein, Vera ist keine Kollegin und (in diesem Fall) auch kein Song von Pink Floyd. „Vera“ ist die Erfindung der Kultusministerkonferenz und ein Kompetenztest. Oder eine Vergleichsarbeit. Oder eine Lernstandserhebung. Wie man will. Jedenfalls durfte ich heute einen Blick in die möglichen Aufgaben werfen und … mein Tag war gelaufen. Dazu gleich mehr.

Federführend im Entwurf ist das „Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen“ an der Humboldt Universität in Berlin. Dort heißt es: „Im Fach Deutsch wird es im Durchgang 2009 für insgesamt 60 Minuten Leseaufgaben geben und für 20 Minuten Aufgaben zur Sprachreflexion.“ Im gleichen Absatz wird dann allerdings betont, dass diese Aufgaben sich an den Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss oder für den Mittleren Abschluss orientieren[1. Dass der Link auf der Seite des IQB zu den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz ins Leere läuft, entbehrt nicht einer gewissen Komik!], „also explizit nicht an den Lehrplänen der einzelnen Länder. Damit beziehen sie sich primär nicht auf die Prüfung von Inhalten, sondern testen Kompetenzen.“

Was bedeutet das? Meine Schüler in der 8. Klasse bekommen Aufgaben vorgelegt, die in meiner Schulart nicht unbedingt im Lehrplan stehen müssen, die aber von einem Abschlussschüler an einer Hauptschule oder einer Realschule (oder wie bei uns an einer Wirtschaftsschule) bearbeitet werden können. Einfacher ausgedrückt: meine Schüler sollen Aufgaben bearbeiten, die sie nicht bearbeiten können.

Ok, nehmen wir den Begriff „Kompetenztest“ einmal wörtlich: Getestet werden also Kompetenzen, kein Wissen. Beispiel: Meine Schüler wissen, wie ein Gedicht aufgebaut ist, sie kennen die Reimarten und können etwas mit dem Begriff Metrum anfangen. Das haben sie (so wie im Lehrplan festgelegt) bisher an Balladen oder Barocklyrik geübt. SIe haben also die Kompetenz, ein Gedicht zu analysieren. Das könnten sie nun im Test an unbekannten Gedichten (zum Beispiel aus der Romantik) auch zeigen. So weit, so gut.

Allerdings verlangt Vera Kompetenzen von den Schülern, die sie (noch) nicht erworben haben. Die Kompetenz einen Text lesen zu können bedeutet nicht, dass sie auch eine Charakteristik schreiben können. Einfacher gesagt: nur weil meine Schüler die Verkehrsregeln kennen und Fahrrad fahren können, kann ich keinen 14-jährigen in einen Sattelschlepper setzen und sagen: drehe eine Runde um den Hof![2. Wahrscheinlich hätte mein Schüler daran mehr Spaß als an Vera]

Was nützt mir, meinen Schülern, den Eltern usw. ein Test, bei dem von vorneherein klar ist, dass ihn die Mehrzahl meiner Schüler nicht bearbeiten kann?[3. Vielleicht gibt dieser Spiegel-Artikel ja Aufschluss: Kultusminister wollen Hauptschulen abkoppeln] Vielleicht findet Ihr eine Antwort? Nebenbei: das ISB hat eine Seite mit „aktuellen Informationen zu den Vergleichsarbeiten (VERA) in der Jahrgangsstufe 8 im laufenden Schuljahr 2008/09“ im Netz.

Irgendwie war mein Tag anschließend gelaufen und ich hatte das Gefühl, dass sich vor allem die Schulbuchverlage die Hände reiben. Gibt man „Vorbereitungsmaterialien für VERA – Deutsch. 8. Schuljahr Mittlerer Schulabschluss“ in Google ein, so kann man sich vor Publikationen kaum retten.


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Eine Antwort zu „Vera – Vergleichsarbeiten“

  1. […] jetzt habe ich nur bei Schwamm drüber und in Die Anstalt (Nachtrag: und bei Herrn Holze) etwas zu VERA gelesen; ich hoffe, dass es noch mehr Blogeinträge dazu geben wird, wenn die Tests […]

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